Ein aufregendes Jahr an den Energiemärkten liegt hinter uns. Die Energiepreise für Strom und Gas halten die Marktteilnehmer im Großhandel bis zuletzt im Atem. Wie es im neuen Jahr weitergeht und wie Sie den Herausforderungen im Vertrieb durch die angespannte Marktlage begegnen sollten erfahren Sie hier.
Im Vergleich zu den Vorjahren findet sich in den Speichern wenig Gas. Die für Ende Oktober erwartete Gaslieferung zur Befüllung der leeren Gasspeicherbestände bleibt bisher aus. Nord-Stream 2 wurde entgegen den Markterwartungen bisher nicht in Betrieb genommen; die Bundesnetzagentur hat das Genehmigungsverfahren vorerst pausiert. Die kühleren Temperaturen und die Rekordpreise im CO2-Markt ergänzen diesen Umstand so, dass Tiefststände der Speicher am Ende des Winters sehr wahrscheinlich sind.
Im Sommer und nach dem Ende der dritten Corona-Welle wurde das öffentliche Leben und die stromintensiven Industriebetriebe rasch wieder hochgefahren, was die Nachfrageseite befeuerte. Daneben kam es im August zu einem regelrechten Boom von Elektrofahrzeugen, deren Ladekapazitäten zusätzlichen Druck auf die Angebotsseite ausübten. Diese fiel zuletzt jedoch durch eine unvorhergesehene Windflaute im Herbst entsprechend niedrig aus, sodass der Strompreis ab September stark anstieg.
Die Folge: Einige Teilnehmer zogen sich zum Jahresende aus dem Markt zurück. Die Gebotsanzahl für Jahresprodukte für 2024 und 2025 war hierdurch rückläufig, hat sich nun jedoch wieder erholt.
Den aktuellen Entwicklungen nach, rund um die neugebildete Ampel-Regierung mit Annalena Baerbock und Robert Habeck in der Speerspitze, wird sich die Genehmigung von Nord-Stream 2 weiter verzögern. Letzterer und viele andere sehen die Inbetriebnahme als mögliches politisches Instrument, um sich im Streit zwischen Russland und der Ukraine entsprechend zu positionieren. Zudem seien Sicherheitsfragen nicht beantwortetet und das europäische Energierecht angegriffen.
Auch wenn sich die Marktlage zwischenzeitlich wieder etwas entspannt hat, ist eine kurzfristige Erholung des Preisniveaus insgesamt nicht zu erwarten. Laut Bundesnetzagentur wird die Zertifizierung für Nord-Stream 2 frühstens im zweiten Halbjahr 2022 erfolgen. Mittelfristig wird die Beziehung zu Russland und die anhaltende Corona-Pandemie preistreibende Faktoren darstellen. Eine große Rolle spielen die unvorhersehbaren Auswirkungen der Omikron-Variante auf Wirtschaft und Gesellschaft, die den Preis für Strom und Gas weiter anfeuern.
Im Jahr 2021 konnten mehrere Verlierer, aber auch Gewinner unter den EVUs identifiziert werden. Die Erkenntnisse lassen sich auch auf das neue Jahr übertragen.
So meldeten - insbesondere im Gas - mehrere Versorger Konkurs an. Grund hierfür sind die gestiegenen Energiepreise im Großhandel, während Preisvereinbarungen durch abgeschlossene Verträge den Verkaufspreis weiter niedrig hielten. Im Zuge dessen wurden Kundenverträge gekündigt und an die zuständigen Grundversorger übergeben.
Was im Allgemeinen ein erstrebenswertes Ereignis für die Konkurrenz darstellt, entpuppt sich während der aktuellen Hochpreisphase jedoch als Situation, in der Anpassung eine Pflicht ist. Denn die Grundversorger, die nun plötzlich zahlreiche Kunden auffangen müssen, mussten diese die entsprechenden Energiemengen nun kurzfristig auf einem extrem hohen Preisniveau nachkaufen. Damit die Unternehmen ihr Geschäft verlustfrei weiterführen können, werden die Kosten in neu erstellten Grundversorgungstarifen an den Kunden weitergegeben. Mehrere Versorger haben daher ihre Grund- und Ersatzversorgungstarife für Bestands- und Neukunden gesplittet - eine Neuheit im deutschen Energiemarkt. Das Thema wurde zuletzt von Verbraucherschützern aufgegriffen, welche eine Diskriminierung für Neukunden sehen.
Die Verlierer finden sich somit einerseits auf der Kundenseite und andererseits auf der Versorgerseite, welche ihre Reserven durch die explodierende Marktsituation aufgebraucht haben.
Da auch in 2022 keine Entspannung auf den Märkten in Sichtweite ist und mittelfristig jeder Versorger weitere Mengen absichern muss, ist ein Umdenken gefordert. Folgende Anpassungen seien hier empfohlen.
Um Kosten zu senken, sollte die Angebotskalkulation möglichst vollautomatisch ablaufen. Auf Sonderlösungen, die einen hohen manuellen Aufwand bedingen, sollte verzichtet werden. Zudem sollte überprüft werden, ob aktuell genutzte Bindefristen angesichts der Marktsituation noch ins Risikomodell des eigenen Unternehmens passen. Mit einer geeigneten Automatisierung der Angebotskalkulation lässt sich dem Bindefristrisiko entgegenwirken.
Bei Abschluss eines Vertriebsgeschäfts müssen die Mengen schnellstmöglich an die Beschaffung gemeldet werden, damit der handelsseitige Spielraum nicht eingeschränkt wird. Hierfür müssen klare Schnittstellen definiert und effiziente Middlewares bereitgestellt werden. Die Verzahnung von Vertrieb und Beschaffung verlangt ein klares Transferpreismodell, auf das sich der Vertrieb beim Verkaufsgespräch stützen kann.
Auch im Jahr 2022 bleibt es spannend, denn die Versorger sind mehr denn je von der Marktsituation abhängig. Herausforderungen für den Vertrieb gibt es viele, besonders die Kundenseite wünscht sich eine verlässliche Energieversorgung – sowohl vertraglich als auch preislich. Hier müssen die Versorger Kosten senken. Dies kann durch die Einführung alternativer Produkte geschehen, um das Preisrisiko möglichst gering zu halten. Eine große Stellschraube stellt die Systemlandschaft und deren -konfiguration dar. Diese muss mit den Unternehmensprozessen im Einklang stehen, um der aktuellen Marktsituation gerecht zu werden. Gerne beraten wir Sie und schneiden die oben genannten Empfehlungen auf Ihr Unternehmen zu. Kommen Sie gerne auf uns zu – wir freuen uns auf einen interessanten Austausch Ihrer Strategie-Themen, um den vertrieblichen Herausforderungen auch im Jahr 2022 auf Augenhöhe zu begegnen!